Hungrig nach Glutamin - Den Stoffwechsel von Brustkrebs verstehen

Im Gegensatz zu anderen Brustkrebsarten fehlen bei dreifach negativem Brustkrebs (TNBC) die drei häufigsten Biomarker: Östrogen-, Progesteron- und humaner epithelialer Wachstumsfaktor- (Her2) Rezeptoren. Daher können Patientinnen mit TNBC weder mit Hormontherapien, noch mit Medikamenten, die auf das Her2-Protein abzielen, behandelt werden – und es besteht ein großes Interesse an der Entwicklung neuer Strategien insbesondere gegen TNBC. Wissenschaftler des e:Med Verbundes Her2Low unter Leitung von Professor Stefan Wiemann, DKFZ, untersuchten die metabolischen Bedürfnisse dieses aggressiven Brustkrebses. Ihre Studie ergab, dass Brustkrebszellen mit veränderten Stoffwechsel- und Nährstoffsensorwegen arbeiten, um die Tumorentstehung aufrechtzuerhalten, und dass diese Veränderungen gezielt als Therapieansatz eingesetzt werden könnten.

Was ändert sich im Energiestoffwechsel von Brustkrebszellen? Um die Antwort zu finden, konzentrierten sich die Forscher*innen auf GPT2, ein Enzym, das zwischen Glykolyse und Glutaminolyse geschaltet ist, zwei Stoffwechselwege, die Krebszellen gegenüber dem herkömmlichen Energiestoffwechsel (Citratzyklus ) bevorzugen .

Die Wissenschaftler*innen entdeckten, dass  die GPT2-Expression in TNBC-Zellen höher ist und die Hemmung des GPT2-Enzyms das Tumorwachstum einschränkt. Nach der Hemmung des Enzyms untersuchten sie die Veränderungen der intrazellulären Metaboliten. Tatsächlich war die Menge von Alanin verringert und weniger Glutamin wurde in die Zelle aufgenommen. Die Blockade von GPT2 schaltete den Glukosestoffwechsel um. Die Verhinderung der Glutaminolyse führte zu einer verstärkten Verwendung von Pyruvat (aus Glukose gewonnen) und Zwischenprodukten des Citratzyklus. Die Markierung der Kohlenstoffatome von Glukose zeigte außerdem, dass die Zwischenprodukte des Citratzyklus hauptsächlich durch den Einbau von Glukose- und nicht von Glutaminatomen gebildet werden. Die Forscher beobachteten auch eine erhöhte Aktivität der Pyruvat-Carboxylase (PC), eines Enzyms, das Pyruvat für den Eintritt in den Citratzyklus vorbereitet. Die Ausschaltung sowohl von GPT2 als auch von PC  führte zu einem deutlichen Rückgang der Tumorzellzahlen . Daraus schlussfolgerten sie, dass eine kombinierte Ausrichtung auf diese beiden Enzyme eine neue Therapiestrategie darstellen kann.
Welche Auswirkung haben die durch den veränderten Glutaminverbrauch veränderten  Signalwege? Dies untersuchten die Wissenschaftler*innen im nächsten Schritt. Eine globale Genexpressionsanalyse ergab, dass der Nährstoffsensorweg mTORC1 erheblich beeinflusst wird. Das Ausschalten (KO) von GPT2 beeinträchtigte die Aktivität von mTORC1. Außerdem wurde dadurch die Autophagie ausgelöst, ein Prozess, bei dem die Zellen Moleküle verbrauchen, um weitere Bausteine freizusetzen. Die Wissenschaftler*innen kamen zu dem Schluss, dass niedrige intrazelluläre Aminosäurespiegel die mTORC1-Aktivität verringerten und die Autophagie auslösten. Verursacht waren diese durch Blockierung der Bildung von Alanin und eine geringere Aufnahme von Glutamin.
Wie aber wirkt sich das Fehlen von GPT2 auf den Organismus aus? In einem nächsten Schritt testeten die Wissenschaftler das Tumorwachstum in Mäusen, indem sie die GPT2-KO-Zellen injizierten. Der Tumor wuchs viel langsamer und wog weniger als bei Mäusen mit normalen TNBC-Zellen. 
Nachdem sie konsistente Ergebnisse in vivo gesehen hatten, untersuchten die Wissenschaftler*innen einen möglichen Zusammenhang zwischen Autophagie und GPT2-Expression bei Patienteninnen. In einer Kohorte von Brustkrebspatientinnen stellten sie fest, dass eine hohe GPT2-Expression mit der Expression des Autophagie-Markers p62 korreliert. Diese Ergebnisse untermauern den Zusammenhang zwischen mTORC1-Aktivität und Glutaminolyse bei Brustkrebs.
Krebszellen finden alternative Lösungen für ihren Energiebedarf, um die Tumorentstehung fortzusetzen. Anstelle des herkömmlichen Energiestoffwechsels nutzen sie die Glykolyse und die Glutaminolyse und wandeln Glukose in Laktat bzw. Glutamin in α-Ketoglutarat (α-Kg) um. Die Wissenschaftler*innen konzentrierten sich auf das Enzym GPT2, das Glutamin in α-Kg umwandelt, um die Stoffwechselveränderungen von Brustkrebszellen zu untersuchen. 

Dies  ist die erste Studie, die eine quantitative Analyse von GPT2 bei Brustkrebspatientinnen vornimmt und den Zusammenhang zwischen GPT2-Aktivität, mTORC1 und Autophagie in vitro, in vivo und bei Patientinnen aufdeckt. Diese Erkenntnis erweitert das derzeitige Verständnis des Brustkrebsstoffwechsels. Die Ergebnisse dieser Studie ermöglichen, weitere Therapiestrategien gegen Brustkrebs zu entwickeln.
 

Originalpublikation:

Mitra, D., S. Vega-Rubin-de-Celis, N. Royla, S. Bernhardt, H. Wilhelm, N. Tarade, G. Poschet, M. Buettner, I. Binenbaum, S. Borgoni, M. Vetter, E. J. Kantelhardt, C. Thomssen, A. Chatziioannou, R. Hell, S. Kempa, K. Müller-Decker, and S. Wiemann (2020). "Abrogating GPT2 in triple negative breast cancer inhibits tumor growth and promotes autophagy." Int J Cancer. doi.org/10.1002/ijc.33456.

 

Verbund und Kontaktperson:

Her2low

Prof. Stefan Wiemann, DKFZ, Heidelberg, s.wiemann@dkfz.de

https://www.dkfz.de/en/mga

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