Neuer Mechanismus schützt vor Krebsausbreitung und Übererregbarkeit von Nervenzellen

Die Comic-Graphik zeigt G3BP (G), das den TSC-Komplex an ein Lysosom bindet, und so das MTOR (alias Thor) Signalprotein daran hindert, aktiv zu werden. © Christoph Luchs

Wissenschaftler*innen entdecken, dass G3BP Proteine das Signalprotein MTOR beeinflussen, welches eine zentrale Rolle im Stoffwechsel spielt. Werden G3BP Proteine nicht ausreichend gebildet, kann dies zu MTOR Überaktivität und dadurch zu Tumorerkrankungen und Entwicklungsstörungen des Gehirns führen. G3BP Proteine stellen somit einen vielversprechenden Ansatzpunkt für personalisierte Therapien dar.
Dieses Ergebnis publizierten Wissenschaftlerinnen des BMBF-geförderten e:Med Juniorverbunds GlioPATH jetzt zusammen mit einem europaweiten Forschungsnetzwerk in der Fachzeitschrift Cell.

 

Das Signalprotein MTOR (Mechanistic Target of Rapamycin) ist ein Sensor für Nährstoffe wie Aminosäuren und Zucker. Wenn genügend Nährstoffe zur Verfügung stehen, kurbelt MTOR den Stoffwechsel an und sorgt dafür, dass ausreichend Energie und Bausteine für das Wachstum und die Funktion aller Zellen im menschlichen Körper zur Verfügung stehen. „Weil MTOR ein derart zentraler Schalter für den Stoffwechsel ist, führen Fehler in seiner Aktivierung zu ernsten Krankheiten. Krebserkrankungen und Fehlentwicklungen des Nervensystems, die zu Verhaltensstörungen und Epilepsie führen, können die Folge sein, wenn MTOR fehlgeschaltet ist.“, erklärt die Biochemikerin Kathrin Thedieck.
Um Fehler in der MTOR-basierten Signalverarbeitung zu verhindern, kontrolliert die Zelle seine Aktivität sehr genau. Dies tut sie unter anderem durch Moleküle, die ein Protein hemmen und dabei helfen, seine Aktivität zu dosieren, sogenannte Suppressoren. Der TSC Komplex ist so ein Suppressor für MTOR. Er ist nach der Erkrankung, die sein Fehlen hervorruft, benannt – der Tuberösen Sklerose (engl. tuberous sclerosis, TSC). Der TSC Komplex sitzt gemeinsam mit MTOR an kleinen Strukturen in der Zelle, den sogenannten Lysosomen, und hält dort MTOR in Schach. Wenn der TSC Komplex - beispielsweise durch Mutationen in einer seiner Komponenten - nicht mehr am Lysosom bleibt, kann dies zu übermäßiger MTOR Aktivität mit schweren gesundheitlichen Folgen führen. Bisher war unklar, wie der TSC Komplex am Lysosom verankert ist und welche anderen Moleküle in diese Regulation involviert sind.


Protein mit Ankerfunktion

Zusammen mit vielen anderen Kollegen erforschten die GlioPATH Wissenschaftlerinnen Kathrin Thedieck, Christiane Opitz, Saskia Trump und Ines Heiland deshalb, auf welche Weise der TSC Komplex an Lysosomen bindet. Hierbei entdeckten sie, dass die G3BP Proteine (Ras GTPase-activating protein-binding protein) zusammen mit dem TSC Komplex an Lysosomen sitzen. Dort bilden die G3BP Proteine einen Anker, der dafür sorgt, dass der TSC Komplex an die Lysosomen binden kann. „Die G3BP Proteine sind auch stammesgeschichtlich zusammen mit dem TSC Komplex aufgetreten, was ihre gemeinsame Funktion unterstreicht.“ sagt die Systembiologin Ines Heiland. Die Ankerfunktion der G3BP Proteine spielt in Brustkrebszellen eine entscheidende Rolle. Ist die Menge dieser Ankerproteine in Zellkulturen vermindert, so führt dies nicht nur zu einer erhöhten MTOR Aktivität, sondern steigert auch die Ausbreitung der Zellen. Wirkstoffe, die MTOR hemmen, verhindern diese Ausbreitung in Zellkulturen. In Brustkrebspatient*innen korreliert eine niedrige G3BP Menge mit einer schlechteren Prognose. „G3BP Proteine könnten daher interessante Marker sein, um Patient*innen zu identifizieren, die gut auf MTOR hemmende Medikamente ansprechen“, so die Chemikerin Saskia Trump.

Auch im Gehirn hemmen die G3BP Proteine MTOR. Im Zebrafisch, einem für die Pharmaforschung wichtigen Tiermodell, beobachteten die Forscher*innen Störungen der Gehirnentwicklung, wenn G3BP fehlt. Dies führte zu neuronaler Hyperaktivität ähnlich wie bei Epilepsie. Diese neuronalen Entladungen konnten durch Wirkstoffe, die MTOR hemmen, unterdrückt werden. „Wir hoffen deshalb, dass Patient*innen mit seltenen erblichen neurologischen Erkrankungen, bei denen die G3BP Proteine fehlerhaft sind, von MTOR-gerichteten Wirkstoffen profitieren könnten. Hier stehen wir noch am Anfang und möchten dies zukünftig gemeinsam mit unserem Forschungsnetzwerk weiter untersuchen“, sagt die Ärztin und Molekulare Zellbiologin Christiane Opitz.

 

Originalpublikation:

Prentzell, M. T., Rehbein, U., Cadena Sandoval, M., De Meulemeester, A.-S., Baumeister, R., Brohée, L., Berdel, B., Bockwoldt, M., Carroll, B., Chowdhury, S. R., von Deimling, A., Demetriades, C., Figlia, G., de Araujo, M. E. G., Heberle, A. M., Heiland, I., Holzwarth, B., Huber, L. A., Jaworski, J., Kedra, M., Kern, K., Kopach, A., Korolchuk, V. I., van 't Land-Kuper, I., Macias, M., Nellist, M., Palm, W., Pusch, S., Ramos Pittol, J. M., Reil, M., Reintjes, A., Reuter, F., Sampson, J. R., Scheldeman, C., Siekierska, A., Stefan, E., Teleman, A. A., Thomas, L. E., Torres-Quesada, O., Trump, S., West, H. D., de Witte, P., Woltering, S., Yordanov, T. E., Zmorzynska, J., Opitz, C. A. and Thedieck, K. (2021). "G3BPs tether the TSC complex to lysosomes and suppress mTORC1 signaling." Cell. doi.org/10.1016/j.cell.2020.12.024.

 

 

GlioPATH Konsortium:

Dr. Christiane Opitz
Hirntumor-Metabolismus
Deutsches Krebsforschungszentrum, DKFZ, Heidelberg

Prof. Dr. Kathrin Thedieck
Lab for Metabolic Signaling
Institut für Biochemie, Universität Innsbruck, Österreich
Department für Neurowissenschaften, Universität Oldenburg, Deutschland
Department of Pediatrics, University of Groningen, University Medical Center Groningen, Niederlande

Dr. Saskia Trump
Forschungsgruppe Molekulare Epidemiologie
Charité - Universitätsmedizin Berlin und Berlin Institute of Health, BIH, Berlin
ehemals Helmholtz Zentrum für Umweltforschung- UFZ, Leipzig
 

Prof. Dr. Ines Heiland
Molelularbiologie und Bioinformatik
Institut für Arktische und Marine Biologie der Universität Tromsø (Norwegen)  

 

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