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Auf dem Weg zur Chronotherapie – Erkenntnisse aus unserer inneren Uhr

 

source: Adobe Stock

Forscher:innen des e:Med-Juniorverbundes DeepLTNBC unter der Leitung von Dr. Adrián Granada haben sich zum Ziel gesetzt, die zirkadiane Uhr von Brustkrebs zu entschlüsseln, um ihre Rolle bei dieser heterogenen Krebsart besser zu verstehen. Sie haben kürzlich die Ergebnisse von zwei Untersuchungen veröffentlicht, die entscheidende Einblicke in die Dynamik zirkadianer Rhythmen in Brustkrebszellen und ihre Auswirkungen auf die Arzneimittelreaktion liefern.

 

Der natürliche Rhythmus des Körpers, der von der zirkadianen Uhr gesteuert wird, reguliert Schlüsselprozesse auf molekularer, zellulärer und organismischer Ebene. Es ist bekannt, dass die zirkadiane Uhr einen Einfluss auf Krebszellen hat, aber dies ist noch nicht genügend erforscht, um dieses Wissen für die Krebsbehandlung voll auszuschöpfen. So kann beispielsweise die Verabreichung einer Krebstherapie in Abhängigkeit von der Tageszeit ihre Wirksamkeit verbessern und gleichzeitig die Nebenwirkungen minimieren – ein Behandlungskonzept, das als Chronotherapie bezeichnet wird. Die zugrunde liegenden Mechanismen, durch die die zirkadiane Uhr die Krebsbiologie beeinflusst, sind jedoch noch weitgehend unverstanden.

Forscher:innen des e:Med-Juniorverbundes DeepLTNBC unter der Leitung von Dr. Adrián Granada haben sich zum Ziel gesetzt, die zirkadiane Uhr von Brustkrebs zu entschlüsseln, um ihre Rolle bei dieser heterogenen Krebsart besser zu verstehen. Sie haben kürzlich die Ergebnisse von zwei Untersuchungen veröffentlicht, die entscheidende Einblicke in die Dynamik zirkadianer Rhythmen in Brustkrebszellen und ihre Auswirkungen auf die Arzneimittelreaktion liefern.

Wie die Meereswellen hat der zirkadiane Rhythmus eine Periode und eine Amplitude, wobei dieser einen Rhythmus von etwa 24 Stunden hat. Die Wissenschaftler:innen wollten zunächst diese Parameter quantifizieren, um den Rhythmus von Brustkrebszellen besser zu verstehen. „Wir haben eine tiefgreifende zirkadiane Phänotypisierungsmethode entwickelt, um die zirkadianen Uhr-Eigenschaften in Tumorzellen zu erkennen“, erklärt Dr. Granada. Durch das hochauflösende Biolumineszenz-Tracking von zwei zentralen Uhr-Genen, Bmal1 und Per2, konnte das Team in Kombination mit einer quantitativen Zeitreihenanalyse vier zirkadiane Subtypen unter 14 Brustkrebszellen identifizieren: funktionelle, schwache, instabile und dysfunktionale Uhren. Entgegen früherer Annahmen weisen bestimmte Modelle aggressiver Krebsarten, wie der dreifach negative Brustkrebs (TNBC), einen starken intrinsischen zirkadianen Rhythmus auf. Um mögliche klinische Auswirkungen zu ermitteln, untersuchten die Wissenschaftler, ob zirkadiane Merkmale zwischen medikamentenempfindlichen und medikamentenresistenten Krebszellen unterscheiden können. Während das Verhältnis je nach Behandlung variierte, zeigte sich ein auffälliges Beispiel bei Cisplatin, einem Wirkstoff, der auf die DNA-Schadensantwort („DNA damage response“, DDR) abzielt, bei dem die zirkadianen Eigenschaften stark mit der Empfindlichkeit zusammenhingen. „In unserer Arbeit haben wir den Chronosensitivitätsindex eingeführt, um die Auswirkungen der zirkadianen Uhr auf die Arzneimittelreaktion zu quantifizieren“, fügt die Erstautorin Dr. Carolin Ector hinzu. Die Medikamente mit einem hohen Chronosensitivitätsindex könnten von zeitlichen Strategien profitieren, die auf die biologische Uhr der Patientin oder des Patienten abgestimmt sind. Diese Erkenntnisse bilden eine entscheidende Grundlage für die Weiterentwicklung der Chronotherapie und fügen der Feinabstimmung der Chemotherapie eine weitere Steuerungsebene hinzu. Um die Bedeutung dieser Studie für die breitere wissenschaftliche Gemeinschaft hervorzuheben, wurde sie auf der Titelseite des Bandes vom April 2025 des Fachjournals „Molecular Systems Biology“ vorgestellt.

Um die Rolle der circadianen Uhr bei der Arzneimittelreaktion weiter zu erforschen, kombinierten die Wissenschaftler mathematische Modellierung mit experimentellen Daten, um herauszufinden, wie der Behandlungszeitpunkt die Wirksamkeit maximieren kann. In ihrer zweiten Studie unter der Leitung von Dr. Nica Gutu deckte dieser integrative Ansatz systematisch die Schlüsselfaktoren auf, die die Wirksamkeit von Medikamenten beeinflussen. „Sowohl zirkadiane Faktoren wie Amplitude, Periode und Abklingrate des Taktsignals als auch nicht-zirkadiane Faktoren wie Arzneimittelstabilität, Zellwachstumseigenschaften und Testdauer beeinflussen die tageszeitlichen Arzneimittelreaktionsprofile“, erklärt Dr. Granada. Darüber hinaus kann diese neu entwickelte Methode zur Verbesserung der Arzneimittel-Screening-Bemühungen eingesetzt werden.

Diese beiden Studien bringen uns der Integration der zirkadianen Biologie in die Krebsforschung einen großen Schritt näher. Durch die Identifizierung tumorspezifischer Rhythmen und die Modellierung von Arzneimittel-Timing-Effekten untersuchten die Forscher:innen Therapien, die nicht nur auf die Gene einer Patient:in abzielen, sondern auch auf deren innere Uhr. Die Auswirkungen dieser Erkenntnisse gehen über Brustkrebs hinaus und bieten einen Rahmen, um zu optimieren, wann wir behandeln, und nicht nur womit.
 

Weitere Informationen zu diesen Arbeiten finden Sie unter granadalab.org

e:Med Juniorverbund und Wissenschaftliche Ansprechpartner:

DeepLTNBC

 

Dr. Adrian Granada
Charité Comprehesive Cancer Center
E-mail: adrian [at] granadalab [dot] org
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Originalpublikation:
Carolin, E., D. Jeff, D. Landtsheer Sébastien, S. Nordentoft Malthe, S. Christoph, K. Ulrich, H. Hanspeter, K. Achim, S. Thomas, and E. Granada Adrián (2025). "Circadian clock features define novel subtypes among breast cancer cells and shape drug sensitivity." Molecular Systems Biology.   https://doi.org/10.1038/s44320-025-00092-7.

Gutu, N., H. Ishikuma, C. Ector, U. Keilholz, H. Herzel, and A. E. Granada (2025). "A combined mathematical and experimental approach reveals the drivers of time-of-day drug sensitivity in human cells." Communications Biology 8(1): 491.   https://doi.org/10.1038/s42003-025-07931-1